Haltung und
Vermehrung
Die Pflege und Vermehrung der Wildfänge von Elaphe guttata unterscheidet sich
kaum von der für aus menschlicher Zucht stammenden Kornnattern, so dass
ein Verweis auf das entsprechende Kapitel an dieser Stelle ausreicht. Es
genügt zu erwähnen, dass sich ein der Natur entnommenes Exemplar von
etwa 30 oder 40 cm Länge gut und ziemlich schnell an das bequeme,
gefahrlose Leben im Terrarium gewöhnt. Es dauert gewöhnlich nur kurze
Zeit, bis es auch aufgetaute Tiefkühlmäuse als Futter erkennt. Etwas
anders sieht es mit erwachsenen Wildfängen aus, die sich nervös und
aggressiv zeigen und oftmals erst nach mehreren Zwangsfütterungen an
Labormäuse zu gewöhnen sind. Solange man sie jedoch in einem relativ
trockenen, ausreichend großen und angemessen temperierten Terrarium mit
geeigneten Versteckplätzen und einer feuchten Stelle hält, hat man es
auch hier nach einiger Zeit mit angenehmen Pfleglingen zutun. Angemerkt werden
muss vielleicht nur noch, dass Wildfänge ebenso wie ihre
im Terrarium vermehrten Nachfolgern wahre Ausbruchskünstler sind,
die jede Schwachstelle im Terrarium nach kürzester Zeit entdecken und zu
nutzen wissen.
Wildfänge von E. guttatet waren der
Ausgangspunkt aller heute existierenden Mutationen der Kornnatter. Auch die
Zeichnungsvarietäten fußen auf in der Natur gefundenen, von der Norm
abweichenden Exemplaren, die durch Auswahlzucht und Kreuzungen zu dem gemacht
wurden, was sie heute sind. Aufgrund der Beliebtheit dieser Art, besonders bei US-Terrarianem, stehen die natürlichen Populationen im
gesamten Verbreitungsgebiet unter starkem Druck durch Übersammeln. Das
Wegfangen aus der Natur geht selbst da noch weiter, wo gesetzliche Bestimmungen
das Sammeln reglementieren oder sogar völlig verbieten. In New Jersey hat
dies inzwischen dazu geführt, dass nicht nur das Sammeln von E. guttata, sondern auch die Haltung von Kornnattern verboten
ist. Die einzige Ausnahme sind derzeit (noch) Albinos aus Terrariennachzucht.
In Florida, dem Land der professionellen Reptilienzüchter, ist das Sammeln
für gewerbliche Zwecke reglementiert. Es ist hier beispielsweise illegal,
aus dem Auto heraus zu sammeln, d.h. das nächtliche Abfahren von
Teerstraßen, dem effektivsten Weg, größere Stückzahlen zu
fangen. Die Populationen bei Baton Rouge in Louisiana und verschiedene
Bestände in North- und South-Carolina waren von
j eher das Ziel sammelwütiger Schlangenfans, wenngleich sie noch nie
besonders individuenstark waren. Im Grunde ist es wenig verständlich,
warum mancher so versessen darauf ist, sich mit vernarbten und meistens wenig
ansprechend aussehenden Wildfängen und deren Problemen wie
Aggressivität und Parasitenbefall abzugeben, wenn er makellose, schöne,
eingewöhnte und gesunde Tiere für das gleiche Geld kaufen kann. Die
heute noch frei lebenden Elaphe guttata
sollte man in ihrer natürlichen Umgebung beobachten, sich an ihr erfreuen
und sie ansonsten in Ruhe lassen.
Ganz ohne Wildfänge kommt jedoch der Kult um die Kornnatter nicht aus. Da
zur Erzielung und Erhaltung der einzelnen Mutationen Inzucht unumgänglich
ist, sind die meisten Zuchtstärnme genetisch
verarmt und mit Schwächen behaftet. Diese äußern sich mit
fortschreitender Generationenfolge zunehmend in Jungtieren mit Deformationen
und Anomalien, wie zu kurze Köpfe, Beschuppungs-fehler,
unregelmäßige Zeichnung, einer verminderten Lebensfähigkeit von
Eiern und Jungtieren sowie einer verkürzten Lebenserwartung. Um diese
unerwünschten Nebeneffekte einzugrenzen, gibt es nur eine
Möglichkeit, nämlich die so genannte Blutauffrischung. Hierbei
handelt es sich um das regelmäßige gezielte Einbringen von
"frischem Blut" durch ein Verpaaren von Zucht-Kornnattern mit
ausgewählten Wildfängen. Auf diese Weise werden die Stämme der
mutierten Kornnattern genetisch gestärkt und stabilisiert. Es ist offen-
sichtlich, dass dieses Vorgehen ein großes Maß an Erfahrung
erfordert und ein fundiertes Wissen darüber, was zu erwarten ist, wenn man
solche Tiere kreuzt. Auch rentiert es sich nur für die in den USA
marktbeherrschenden professionellen Züchter mit ihren großen
Zuchtbeständen. Andererseits benötigen diese nur einige wenige
Wildfänge pro Jahr zum Erfolg, so dass hierdurch kaum Druck auf die wild
lebenden Bestände ausgeübt wird.
An dieser Stelle muss auf die Hybridisierung von Elaphe guttatet mit verschiedenen
anderen Arten eingegangen werden. Kornnattern sind versuchsweise bereits mit
mehreren Unterarten der Pilotnatter (Elapheobsoleta),
der Kalifornischen Kettennatter (Lampropeltis getutet
califor-niae), der Bullennatter (Pituophis
cateni-fer) und angeblich sogar mit diversen
Unterarten der Dreiecksnatter (Lampropeltis tnanguium) und mit der Graugebänderten
Königsnatter (Lampropeltis altema}
gekreuzt worden. Den Züchtern zufolge sind aus all diesen Kreuzungen
Nachkommen hervorgegangen, welche sich mit gleichartigen Hybriden sowie ihren
Eltern als fortpflanzungsfähig erwiesen.
Einige dieser Art- und Gattungsbastarde sehen prächtig aus und erfreuten
sich vorübergehend einer großen Beliebtheit. Aufgrund ihrer
Seltenheit waren sie allerdings auch stets sehr teuer und nur mit Mühe zu
bekommen. Heute scheinen sie nur selten produziert zu werden, was
möglicherweise den Grund hat, dass sich die Züchter selbst fragen,
was passieren könnte, wenn so ein Bastard unbemerkt in einen Zuchtstamm
eingekreuzt wird. Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, da in jedem
Hybridzuchtprogramm viele unscheinbare Nachkommen entstehen, die einem ihrer
Eltern teile täuschend ähnlich sehen, in ihren Erb-
anlagen jedoch fremde Gene tragen. Die Versuchung, die "normal"
aussehenden Exemplare als reinrassig abzustoßen, ist aufgrund der
entstandenen Unkosten groß, und damit besteht eine wirkliche Gefahr
für eine unbemerkte Verfälschung von Zuchtstämmen. Der professionelle
Züchter muß von dem leben, was er
produziert und verkaufen kann. Die wenigsten stellen ihren Kunden akkurat
geführte Stammbäume für die erworbenen Schlangen zur
Verfügung, und so ist es nicht auszuschließen, dass sich ein nichts
ahnender Käufer oder gar ein anderer Züchter unbemerkt
unerwünschte, fremde Gene in seine Zucht einschleppt. Die Risiken der
Hybridzucht überwiegen daher schon aus rein ökonomischen Gründen
die Vorteile.